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Wie Roboter natürliche Kognition erreichen können

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Menschen und Tiere unterscheiden sich stark in ihren Fähigkeiten wahrzunehmen, zu planen oder sich zu erinnern. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich flexibel auf immer wieder neue Herausforderungen einstellen können – was selbst den intelligentesten Maschinen derzeit nur sehr eingeschränkt möglich ist. Wie diese Flexibilität zustande kommt, ist eine der großen offenen Fragen in Psychologie und Neurowissenschaft. Sie steht im Mittelpunkt der neuen Forschungsgruppe „Situationsmodelle: Neue Perspektiven auf das kognitive Verhalten von Menschen, Tieren und Maschinen“ am Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität Bielefeld.

Aktuelle Fortschritte der Kognitiven Neurowissenschaften (KN, der Kombination von Psychologie und Hirnforschung) zeichnen uns zunehmend deutliche Umrisse wichtiger Kernkomponenten von kognitivem Verhalten und deren Rolle beim Zustandekommen der beim Menschen und vielen Spezies des Tierreichs (z.B. Nagetiere, Affen) beeindruckenden Flexibilität und Kontextsensitivität. Gleichzeitig sehen wir wichtige Durchbrüche im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik: dort eröffnen Verbindungen von deep learning mit weiteren maschinellen Lernverfahren – zusammen mit der Verfügbarkeit hochentwickelter Roboterplattformen, neuen Interaktionsszenarien und sehr großen Datensätzen – neue Wege, um intelligentes Verhalten durch Lernen vorwiegend aus Daten und Interaktion zu synthetisieren. Dieses Zusammentreffen faszinierender Fortschritte in parallelen Gebieten stellt uns vor eine konvergente und disziplinüberschreitende Herausforderung: was verbindet die emergenten Teilfunktionalitäten zum beobachteten, flexiblen und kontext-sensitivem Verhalten? Diese Frage stellt sich in verbundener Weise in jeder der beiden Disziplinen – für natürliche kognitive Agenten als auch für Roboter, deren Verhalten natürliche Kognition erreichen soll.

Die interdisziplinäre ZiF-Forschungsgruppe – eine Denkfabrik für KI und KN – führt Experten und Expertinnen aus einschlägigen Forschungsrichtungen zusammen, um diese Herausforderung anzugehen. Unser konzeptioneller Ausgangspunkt sind dabei sog. Situationsmodelle: Situationsmodelle spezifizieren die erforderlichen Prozesse zusammen mit dem benötigten computationalen Raum, um Wahrnehmung und Gedächtnis gemäß der aktuellen Verhaltensanforderung (Aufgabe, Exploration) zu verbinden. Ein wichtiger Schlüssel liegt dabei in der Verknüpfung von Prädiktion, interner Simulation und weiteren Formen der gesteuerten Zusammenführung perzeptiver und erinnerter Information, um flexible und kontext-sensitive Handlungsentscheidungen, Handlungsplanung und Lernen zu ermöglichen.

Mit internationalen Kolleginnen und Kollegen aus Neuro- und Computerwissenschaften, Biologie, Psychologie und Robotik wollen die Forschenden in den nächsten Monaten am ZiF prüfen, ob sich aus diesen Fortschritten in den unterschiedlichen Disziplinen Erkenntnisse darüber gewinnen lassen, wie intelligentes Verhalten funktioniert: bei Menschen, Tieren und bei Maschinen, die einmal ebenso flexibel und kontextsensitiv werden sollen wie ihre natürlichen Vorbilder.

„Der Ausgangspunkt unserer Arbeit sind sogenannte Situationsmodelle, die festlegen, welche kognitiven Prozesse in einer Situation vermutlich nötig sind“, sagt Ritter. Diese Modelle sollen helfen, zu verstehen, wie Wahrnehmung, Gedächtnis und Handeln verknüpft sind und welche Prozesse es intelligenten Wesen ermöglicht, ihre Handlungen an die Situation angepasst zu planen. Dabei geht es den Forscherinnen und Forschern sowohl darum, Computermodelle und Experimente zu entwickeln, um ihre Annahmen zu prüfen, als auch um die Implikationen dieser Forschung für Medizin, Technologie und Philosophie.

Um einen produktiven Dialog zwischen Forschungsfeldern und Disziplinen voranzutreiben, werden wir uns auf basale nicht sprachlich vermittelte Formen des Verhaltens (z.B. manuelle Manipulation, Navigation, Suche) konzentrieren. Die Agenda der ZiF-Forschungsgruppe richtet sich dabei auf die folgenden Forschungsziele: die Konkretisierung und Spezifikation (Repräsentationen und Operationen) empirisch und computational adäquater Architekturen von Situationsmodellen; die Rolle von Situationsmodellen für die Steuerung und Balance von aufgabengerichtetem und explorationsgerichtetem Verhalten; die innovative Fortentwicklung hoch kontrollierbarer experimenteller Paradigmen zur Untersuchung von Situationsmodellen sowie die Herausarbeitung wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Implikationen für Medizin, Philosophie und Technologie.

Vier Fokus-Perspektiven liefern die Roadmap für die avisierten Ziele: (1) Arbeitsgedächtnis als zentrales Portal für kognitives Verhalten (2) Situationsmodelle und effizientes kontext-sensitives Lernen (3) Zwei-System Theorien zur Kontrolle kognitiven Verhaltens (4) Reales und imaginiertes flexibles kontext-sensitives Verhalten mit kognitiven Karten. Jede einzelne Fokus-Perspektive markiert dabei spezifische Teilfragen; zum anderen richtet sie den Blick auf alternative Herangehensrichtungen zum Lösen der gestellten Fragen. Durch die disziplinübergreifende Verbindung der Erkenntnisse und Sichtweisen der KN und der KI erwarten wir eine starke wechselseitige Stimulation von Ideen und insgesamt einen hohen Erkenntnisgewinn der disziplinär so nicht zu erreichen wäre. Organisatorisch sind, neben der Präsenz von Fellows und assoziierten Mitgliedern am ZiF, zwei Konferenzen und vier Workshops geplant.

Quelle

https://www.uni-bielefeld.de/(de)/ZiF/FG/2019Behavior/index.html (19-10-02)


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