Aufgaben aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz verlangen nach leistungsfähigen und dabei gleichzeitig sparsamen Computerchips, um etwa Robotern das Laufen zu lehren oder präzise automatische Bilderkennung zu ermöglichen. Während die Optimierung herkömmlicher Mikroelektronik immer näher an ihre physikalische Grenzen kommt, zeigt die Natur am Beispiel des Gehirns, wie sich Informationen schnell und energieeffizient verarbeiten und speichern lassen. Die heute übliche Methode, um die Leistungsfähigkeit von Mikroelektronik weiter zu erhöhen, liegt in der Verkleinerung der Komponenten, insbesondere der einzelnen Transistoren auf den Computerchips aus Silizium, was aber nicht unendlich möglich ist. Nun ist es Baek et al. (2020) erstmals gelungen, die Funktionsweise von Neuronen des Gehirns mit Halbleitermaterialien nachzuahmen, indem man die Eigenschaften der Neuronen mit den Prinzipien von Biosensoren simulierte und einen klassischen Feldeffekttransistor so veränderte, dass ein künstlicher Neurotransistor entsteht. Der Vorteil einer solchen Architektur liegt in der gleichzeitigen Speicherung und Verarbeitung von Informationen in ein und demselben Bauelement, diese bei herkömmlicher Transistortechnik getrennt sind, was der Verarbeitungszeit und damit letztendlich auch der Leistungsfähigkeit Grenzen setzt. Dabei brachte man eine zähflüssige Substanz (Solgel) auf einen herkömmlichen Siliziumwafer mit den Schaltungen auf, wobei dieses Polymer aushärtet und zu einer porösen Keramik wird. Zwischen den Löchern der Keramik bewegen sich Ionen, die schwerer als Elektronen sind und nach einer Anregung langsamer auf ihre Position zurückspringen. Diese Verzögerung (Hysterese) ist dabei für den Speichereffekt verantwortlich. Je stärker der einzelne Transistor angeregt wird, umso eher öffnet er und lässt den Strom fließen, womit sich die entsprechende Verbindung verstärkt, d. h., das System lernt. Computer auf Basis solcher Chips wären sind präzise und schätzen mathematische Berechnungen eher als diese bis in die letzte Nachkommastelle zu berechnen. Ein Roboter mit solchen Prozessoren könnte damit beispielsweise laufen oder greifen lernen, ein optisches System besitzen und lernen, Zusammenhänge zu erkennen, und zwar alles, ohne Software entwickeln zu müssen. Diese Plastizität neuromorpher Computer, die der des menschlichen Gehirns ähnelt, können sich im laufenden Betrieb an veränderte Aufgabenstellungen anpassen und auch solche Probleme lösen, für die sie ursprünglich nicht programmiert wurden.
Literatur
Baek, Eunhye, Das, Nikhil Ranjan, Cannistraci, Carlo Vittorio, Rim, Taiuk, Bermúdez, Gilbert Santiago Cañón, Nych, Khrystyna, Cho, Hyeonsu, Kim, Kihyun, Baek, Chang-Ki, Makarov, Denys, Tetzlaff, Ronald, Chua, Leon, Baraban, Larysa & Cuniberti, Gianaurelio (2020). Intrinsic plasticity of silicon nanowire neurotransistors for dynamic memory and learning functions. Nature Electronics, doi:10.1038/s41928-020-0412-1.
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