Lange galten Automatisierung und Künstliche Intelligenz (KI) als Hilfsmittel und Werkzeug vor allem für einfache Arbeiten: Roboter helfen bei der industriellen Produktion, Software hilft bei der Lagerhaltung, um zwei Beispiele zu nennen. Inzwischen gibt es aber auch Programme, die die sogenannte „Wissensarbeit“, beispielsweise im Personalwesen oder der Medizin, unterstützen. Wie sich KI auf die „Wissensarbeit“ auswirkt, hat ein Team aus der Arbeits- und Organisationspsychologie untersucht. Vergleicht man Bilder aus Fabrikhallen vor 100 Jahren und heute, wird vor allem eines klar: Ein Großteil der Produktion, zum Beispiel im Automobilbau, geht inzwischen vollautomatisch und ohne menschliches Zutun ab. Wo vor 100 Jahren noch viele Arbeiter dicht an dicht arbeiteten, fallen heute einzelne Arbeitskräfte zwischen den Montagebändern und Robotern kaum mehr auf. Die Fachkräfte sind heute meist mit der Überwachung der komplexen Technik betraut, die Produktion selbst läuft oft vollautomatisiert.
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) soll diesen Trend in Zukunft weiter verstärken. Rechnergestützt sollen Produktionsprozesse immer weiter verbessert und effizienter gestaltet werden. Jobs für Akademiker und andere hochqualifizierte Arbeitskräfte schienen bislang von solchen automatisierten Hilfsmitteln weitestgehend ausgeschlossen – die Aufgaben sind meist zu komplex und zu individuell, um automatisierte Lösungen dafür zu entwickeln. Aber auch dies ändert sich inzwischen zunehmend. KI entwickelt Schichtpläne, unterstützt Mediziner bei Diagnosen, Richter bei Urteilsentscheidungen und Personalverantwortliche bei Entscheidungen in der Auswahl neuer Arbeitskräfte. Bislang wurde dabei vor allem die Effizienz und Performance dieser KI-basierten Systeme untersucht. Wie jedoch die betroffenen Arbeitskräfte damit umgehen, war weitestgehend unerforscht. Das große Spektrum an möglichen Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitskräfte haben nun zwei Psychologen und eine Psychologin der Universität des Saarlandes genauer in Augenschein genommen. Hauptautor der Studie, die nun erschienen ist, ist Dr. Markus Langer aus dem Team von Cornelius König, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität des Saarlandes. Als Co-Autorin hat auch Vivien Busch an der Studie mitgewirkt.
Um herauszufinden, wie sich KI-Systeme auf die Arbeitszufriedenheit von Personen aus der Wissensarbeit auswirken, haben die Wissenschaftler einen Laborversuch unternommen. Dafür haben sie zwei KI-Systeme für die Personalauswahl simuliert, die menschlichen Entscheidern mehr oder weniger Autonomie in der Entscheidungsfindung lassen. „Konkret heißt dass, dass das eine KI-System eine Bewertung und Empfehlung hinsichtlich der Bewerber abgibt, noch bevor die Entscheidungsträgerinnen die Bewerberinformationen selbst analysieren. Das andere KI-System zeigte die Bewertungen und Empfehlungen hingegen erst an, nachdem die Entscheiderinnen sich die Bewerberinformationen selbst zu Gemüte geführt hatten“, erläutert Markus Langer.
Dabei gibt es einige Vor- und Nachteile zu beachten: Zwar kann eine „Empfehlung davor“ den Entscheidungsprozess beschleunigen. „Aber es kann eventuell zu vorschnellen Entscheidungen führen und potentiell die wahrgenommene Autonomie der Personalverantwortlichen untergraben“, gibt Psychologe Langer zu bedenken. Die „Empfehlung danach“ soll hingegen die Autonomie der Entscheidungsträger unterstützen und den Menschen dazu anregen, sich genau mit den Bewerberinnen und Bewerbern auseinanderzusetzen, um dann noch eine zusätzliche „Meinung“ vom System zu bekommen – potentiell dauern Entscheidungen mit dieser Art von KI-basierter Empfehlung aber länger.
Markus Langer, Cornelius König und Vivien Busch konnten dabei eine eindeutige Feststellung machen: „Es zeigte sich, dass KI-Systeme, die menschlichen Entscheidungsträgern mehr Autonomie in der Bewertung von Bewerbern lassen, zu einer höheren Zufriedenheit mit getroffenen Entscheidungen führen und den Spaß an der Arbeit erhöhen können. Außerdem war die erfahrene Selbstwirksamkeit der Personalverantwortlichen höher, wenn sie sich selbst zunächst mit den Bewerberinformationen auseinandersetzen und eine erste Auswahl treffen konnten und das KI-System erst danach seine Einschätzung abgegeben hat“, so Markus Langer weiter.
Neben diesen konkreten Ergebnissen zeigt die Studie vor allem eines: „Fragen hinsichtlich der Einflüsse KI-basierter Systeme auf die menschliche Entscheidungsautonomie, Arbeitszufriedenheit, Wohlbefinden und schlussendlich Fragen der menschzentrierten Gestaltung KI-basierter Abläufe werden in Zukunft immer zentraler werden“, so Markus Langer. „Denn es wird auf eine zunehmend enge Zusammenarbeit von Mensch und Maschine für Entscheidungen hinauslaufen, die das Leben anderer Menschen nachhaltig beeinflussen können“, ist sich der Experte sicher.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Literatur
Langer, M., König, C.J. & Busch, V. (2020): Changing the means of managerial work: effects of automated decision support systems on personnel selection tasks. J Bus Psychol, doi:10.1007/s10869-020-09711-6.
Nachricht ::: Soziale Robotik ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Benjamin Stangl :::